Interview mit Frau Margit Gerhardt, von Szabolcs Bunda

Unlängst bot sich mir die Gelegenheit zu einem längeren Gespräch mit Tante Margit, die man als die Wirtschafterin im Munkatscher Bischofshaus bezeichnen kann.

Sie ging gerne darauf ein, aus ihrer Jugendzeit zu erzählen. Dann aber weckten die außerordentlichen, irritierenden, ja leidvollen Vorkommnisse aus ihrem Leben mein ganzes Interesse.

1926 – als unser Transkarpatien politisch zur Tschechoslowakei gehörte – wurde sie in der Stadt Hust geboren. Klein-Margit war eines von 8 Geschwistern in der deutsch-stämmigen Familie Gerhardt. Unser Vater war Landwirt. Ich wurde mit diesen Arbeiten vertraut, fing an, sie mehr uns mehr zu lieben.

Bis 1939 besuchte ich die Deutsche Schule. Als wir ungarisches Gebiet wurden, gab es ein Jahr lang keinen Unterricht. Danach machte ich auf ungarisch den Schulabschluss, um in einem Warenhaus drei Jahre lang zu arbeiten.

– Aber weshalb nur 3 Jahre?

Mit der Arbeit war es vorbei, weil sich im Herbst 1944 der Krieg seinem Ende näherte.
Aus Hust und Umgebung sonderte man aus den deutschen Familien die 18 bis 20-jährigen Mädchen und Frauen aus. Sie sollten in sowjetische Arbeitslager gebracht werden. Das betraf mich und meine Schwester. Ich war gerade 18 Jahre alt. Unsere Eltern durften bleiben.

– Wohin brachte man Sie ins Arbeitslager; und wie ging es dort zu?

Sie brachten uns nach Donbas – Horlovka, wo es galt, Kohle zu fördern. In Hust wurden wir in Wagons gepfercht und kamen nach zwei Wochen an und wurden im Arbeitslager interniert. Auf dem langen Weg bekamen wir nicht viel zu essen. Wir verzehrten hauptsächlich das, was wir mitgebracht hatten. Wir mussten in Baracken wohnen, was nicht angenehm, aber auszuhalten war. Die insgesamt 78 Personen Personen pro Baracke. Zum Schlafen hatten wir Oberstockbetten.

– Wie geartet war die Arbeit? 

Da wir keine Kriegsgefangenen und auch nicht mitschuld am Krieg waren, behandelten sie uns relativ gut. Hauptsächlich arbeiteten wir in Kohlelagern. Das war etwas leichter als in den Kohlegruben.

Wir hatten in einer, selten in zwei Schichten zu arbeiten. Es gab auch nachtschichten, wenn eine Zuggarnitur ankam. Außer Kohle gag es auch Ziegelsteine aufzuschichten. Mitunter mussten wir uns als Putzfrauen betätigen, wurden nach Bedarf eingesetzt.

– Wie habt ihr die Arbeit verkraftet?   

Weil die meisten jung waren, hielten wir das alles durchschnittlich gut aus. Einige wenige, die von Haus aus schwächlich oder krank waren, schickte man heim.

– Wie war es mit den Feiertagen im Lager?

Da gab keine Unterschiede zwischen Werktag und Feiertag. Es gab aber jeweils pro Woche einen willkürlichen Ruhetag, ohne jeden Bezug zu einem Feiertag.

– War eine Ausübung des Glaubens möglich, gab es dort Priester oder Hl. Messe? 

Diesbezüglich war alles auf den Punkt reduziert, aus meinem Gebetbuch Privatgebete zu verrichten.

– Und wie gelang die Heimkehr?  

Zu Beginn des Jahres 1950 wurden Wahlen anberaumt, und auch wir bekamen unsere Wahlzettel. So durften wir heimgehen. Sie verbrachten uns nach Kiew. Von dort reiste ich selbstständig zuerst nach Lemberg, dann vollends nach Hust. Bei meiner Heimkehr lebte meine Mutter nicht mehr: sie war 1947 an Krebs gestorben. Mein Vater war noch am Leben. Von meinen Geschwistern war die vorzeitig aus dem Lager heimgekehrte Schwester sowie zwei meiner Brüder im Haus.

 – Wie ging das Leben nach der Heimkehr weiter?    

Zwei Jahre darauf verstarb mein Vater. Meine Schwester heiratete. So blieben wir mit meinen Brüdern zu dritt. Da führte ich jahrelang unseren Haushalt. Dann bekam ich einen Arbeitsplatz in einer Näherei, wo ich mal vormittags, mal nachmittags an der Reihe war. Weil es zu jener Zeit an Priestern mangelte, gab ich in meiner freien Zeit Jugendlichen  in Hust  Katechese zur Erstkommunion. Es ab keine Religionsfreiheit, darum musste der Religionsunterricht heimlich stattfinden. Darum galt es, sich jedesmal in einer anderen Wohnung der Kinder zu versammeln.

– Wie gelangten Sie ins Bischofshaus?        

Im Jahr 1976 lernte ich Lajos Hudra, den damaligen Pfarrer von Slatina kennen. Er wusste, dass ich im Verborgenen Religionsunterricht gab. Er sagte, er schätze mich als vertrauenswürdig ein und wünsche, dass ich seinen Haushalt führen sollte. Als dann im Jahr 1994 der damalige Bischofsvikar Josef Csáti starb, machte man Pfarrer Hudra zu seinem Nachfolger. Das hatte den Umzug nach Mukachevo zur Folge, und er nahm mich mit. Er konnte seinen Dienst nicht lange ausüben, sondern starb nach Jahresfrist. Im Jahr 1996 wurde Antal Majnek, der damalige Pfarrer von Hust, zum Bischof geweiht. Er fasste Fuß in Mukachevo. Ich war in der Stadt geblieben und geriet unversehens ins Bischofshaus.

In jungen Jahren hätte ich nie gedacht, dass ich für einen so langen Lebensabschnitt Haushälterin bei einem Pfarrer oder gar Wirtschafterin im Bischofshaus werden könnte. Mein Herzensanliegen und mein Bestreben war stets nur, dem Lieben Gott auf rechte Weise zu dienen.

Übersetzung aus dem Ungarischen ins Deutsche  von  Wetzstein József CMF